Inhalt und Fotos: Ingrid Retterath
Jeder, der schon mal mit Kind gewandert ist, weiß: So eine Tour kann ganz schnell in die Hose gehen. Der Nachwuchs langweilt sich, will nicht mehr weiterlaufen und quengelt, die eigene Stimmung wird immer schlechter.
Wenn man es richtig angeht, kann Wandern mit Kind allerdings auch ein Riesenspaß für alle Beteiligten sein. Unsere Autorin Ingrid Retterath ist regelmäßig zu Fuß mit ihren Töchtern unterwegs. Wir haben sie gefragt, wie sie die drei unterwegs bei Laune hält und was man sonst noch beachten sollte, wenn man mit Kindern wandern geht.
Die ersten Schritte
Wenn Wanderer Eltern werden, stellt sich oft die Frage, ab welchem Alter man seine Kinder eigentlich mit auf Tour nehmen kann. Ingrids Antwort: „Ab der Geburt. Zunächst natürlich im Tragetuch, in der Babytrage oder in einem geländegängigen Buggy.“
Für welche Variante man sich dabei entscheidet, ist sowohl von der Strecke als auch von Eltern und Kind abhängig: „Mit Tragetuch, Trage und Kraxe ist man geländegängiger, belastet aber auch die eigene Wirbelsäule sehr. Andererseits bietet ein Kind in der Bauchtrage mitunter das perfekte Gegengewicht zum Rucksack. Manche Kinder schlafen in der Trage besser, andere im Buggy.“ Wer mit dem Buggy unterwegs ist, sollte entweder einen sehr ebenen Weg aussuchen oder bereit sein, das Gefährt auch mal über Felsen, sandige Wege und Wurzeln zu tragen. Das kann ohne Begleitung ein Problem sein, deshalb empfiehlt Ingrid: „Wenn man die Strecke nicht schon von einer früheren Wanderung kennt und allein mit einem Kind unterwegs ist, sollte die Trage eingesetzt werden.“
Sobald die Kinder laufen können, lässt man sie am besten kurze Strecken allein wandern, rät Ingrid: „Das macht den Eltern vielleicht den Stundenschnitt kaputt, aber dafür werden sie mit vielen Hinweisen auf Raupen, Blumen, Marienkäfer und Weinbergschnecken entschädigt, die sie ohne ihr mitwanderndes Kind gar nicht gesehen hätten.“
Ausrüstung
Kleidung
Kinder wachsen schnell – und schnell aus Kleidung heraus. Sollte man dennoch in hochwertige Spezialkleidung zum Wandern investieren oder tut es auch die normale Alltagskleidung? Der Rat unserer Expertin: „Auch wenn es teuer ist: Kinder brauchen bessere Ausrüstung als die Erwachsenen. Wenn bei einem Erwachsenen der Regen die Jacke durchdringt oder sich Blasen im Schuh bilden, kann er die Zähne zusammenbeißen. Ein Kind wird – zu Recht – unleidlich.“ Besonders wichtig ist natürlich das richtige Schuhwerk: gut sitzende Wanderschuhe mit den passenden Socken bzw. Wandersandalen mit Zehenschutz.
Verpflegung
Was im Rucksack auf keinen Fall fehlen darf: ausreichend zu essen und zu trinken, denn: „Hunger und Durst sind die schlimmsten Stimmungskiller bei einer Wanderung.“ Babys sind mit der Muttermilch gut und bequem versorgt, für größere Kinder empfiehlt Ingrid eigenhändig belegte Brote, Würstchen, kalte Chicken Nuggets, Energieriegel, Fruchtpüree aus Quetschbeuteln und geschnittenes Obst und Gemüse. Bananen kann man mit extra geformten Dosen vor dem Zermatschen im Rucksack bewahren. Für Schokoriegel gilt ebenfalls besondere Vorsicht: „Sie werden an warmen Sommertagen ungenießbar, ebenso wenn sie im Rucksack zu nah am Körper getragen werden.“
Und sonst?
Ein Erste-Hilfe-Set und Schutz gegen Sonne und Insekten sollten bei jeder Wanderung dabei sein. Ist das Kind in der Trage noch im Windelalter, rät Ingrid außerdem, lieber ein paar Reservewindeln mehr einzupacken: „Durch den Druck der Trage sind die meisten Windeln nicht so aufnahmefähig.“ Feuchttücher sind ideal, um verklebte Hände oder Matschfinger schnell zu säubern – auch bei älteren Kindern. Für all die Steine, Blätter, Muscheln usw., die unterwegs gesammelt werden, sind kleine Tüten oder Dosen praktisch.
Kinder dürfen übrigens auch ruhig schon selbst einen Teil der Ausrüstung tragen: „Viele Kinder sind schrecklich stolz, wenn sie mit einem eigenen Rucksack unterwegs sind. Vorschulkinder sollten nicht mehr im Rucksack haben als eine kleine Trinkflasche, einen Snack und vielleicht noch ein selbst gewähltes Spielzeug/Kuscheltier. Schulkinder können in der Regel gut einschätzen, wie stark sie sich belasten wollen.“
Planung und Wegauswahl
Solange die Kinder klein sind und getragen bzw. geschoben werden, können die Erwachsenen noch weitestgehend frei entscheiden, welcher Weg es sein soll. Später ist es wichtig, die Wünsche und Interessen der Kinder einzubeziehen: „Bei größeren Kindern sollte der Weg so gewählt sein, dass er sie weder langweilt noch überfordert. Ideal sind Spielmöglichkeiten, Badestellen, Geocaches, Lehrpfade oder Wildgehege. Aber auch eine Strecke mit einer Schmetterlingswiese, einem Bach, einer Höhle, bizarren Felsen oder anderen Naturerlebnissen lässt die Herzen junger Wanderer höher schlagen.“ Wenn es um Distanzen und Schwierigkeitsgrad geht, gilt: „Je älter die Kinder sind, desto länger und anspruchsvoller darf die Strecke sein.“
Eines darf man bei der Planung auf jeden Fall nicht vergessen: „Niemals sollte man seine eigenen Bedürfnisse auf seine Kinder übertragen. Sie haben ganz andere Erwartungen an die Wanderung als Erwachsene. Ein „hinreißender Panoramablick“ ist für viele Kinder zum Gähnen und ein „idyllisches Dorfzentrum“ ist ihnen vollkommen egal – außer es gibt dort eine gute Eisdiele!“
Unterwegs
Die Strecke ist ausgesucht, der Rucksack ist gepackt – jetzt muss man die Kinder nur noch unterwegs bei Laune halten … Und wie bekommt man das am besten hin? „Mit allem, was ihnen Spaß macht“, sagt Ingrid. Das kann die Suche nach einem Geocache sein, gemeinsames Singen, Spielklassiker wie „Ich sehe was, das du nicht siehst!“, Funken mit Walkie-Talkies oder Fotografieren mit der eigenen Kamera. Auch die Natur selbst bietet natürlich jede Menge Anreize: „Balancieren auf Baumstämmen macht ebenso Spaß wie das Wettrennen mit einem Blatt, das man auf dem Bach neben dem Wanderweg schwimmen lässt. Andere schauen sich jeden winzigen Käfer mit ihrer Becherlupe an.“ Und bei der Navigation können Kinder ebenfalls helfen: „Natürlich sollten alle Kinder bei der Suche nach dem richtigen Weg eingebunden werden, also die Wegmarkierung kennen und danach an Bäumen und Felsen Ausschau halten.“
Zuletzt sollte man noch eine Sache nicht aus den Augen verlieren, damit die Wanderung mit Kind wirklich zu einem Erfolg wird: die eigenen Wünsche. Oder wie unsere Autorin Ingrid sagt: „Die größte Herausforderung ist für mich, dass meine Kinder am Ende der Wanderung gut gelaunt sind und sich auf die nächste Wanderung freuen. Dazu darf ich sie unterwegs weder über- noch unterfordern. Mich selbst aber auch nicht, weil ich dann schlechte Laune habe, die sich auf meine Kinder überträgt.“
Buchtipps zum Thema „Wandern mit Kind”
Falls jetzt nur noch der richtige Weg für die erste Wanderung mit Kind fehlt: In der Reihe „Outdoor Regional” geben unsere Autoren zu jeder Tour Tipps für Wanderer mit Kind und Buggy. Ingrid Retterath hat für diese Reihe z. B. Wanderwege in der Eifel und auf Mallorca erkundet.
Weitere allgemeine Tipps zum Thema findet ihr außerdem in unserem OutdoorHandbuch „Wandern mit Kind”.
Blogtipp
Wenn Ingrid nicht gerade Bücher für uns verfasst, berichtet sie in ihrem Blog Fernwehkinder über ihren Alltag als Reiseführerautorin mit drei kleinen Kindern. In ihrem neuesten Beitrag erzählt sie zum Beispiel von einigen Erlebnissen bei ihren Recherchewanderungen mit Kind, an die sie sich erinnert hat, als sie die Fragen für diesen Artikel beantwortete. Reinlesen lohnt sich!
Pingback: Wandern mit Kindern | Fernwehkinder